1894  
   
Leser Landau
   
   
  RAMSDORF. Wenn heute Nachmittag die Walburgischützen Ramsdorf-Stadt zu ihrem Kaiserschießen im Böllerbüsken antreten, hätte wahrscheinlich auch Leeser Landau gerne an diesem Wettbewerb teilgenommen. 1894 war er Schützenkönig in Ramsdorf – der erste namentlich bekannte König in der umfangreichen Chronik des Vereins. Er lebt natürlich nicht mehr, rückte in diesen Tagen allerdings noch mal in den Fokus der Schützen. Leeser Landau war Jude. Seine Geschichte und seine Königsplakette aus dem Jahr seiner Regentschaft sollen bald Teil einer Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten werden.
 

 

Älteste Königsplakette in Ramsdorf-Stadt von 1894

 
 
   
 
   
 

Cordula Lissner (Projektleiterin im jüdischen Museum Westfalen) und Thomas Ridder (M., Kurator im jüdischen Museum) freuten sich, dass Helmut Seyer (l.), Heinrich Schmeing (2.v.l.) und Udo Schlüter von den Walburgisschützen Ramsdorf-Stadt ihnen die Plakette des Königs Leeser Landauvon 1894 überreichten.


„Für die neue Dauerausstellung wollten wir gerne jüdische Schützen und jüdische Schützenkönige abbilden, fanden zunächst aber keine Objekte“, berichtete Cordula Lissner, Projektleiterin der neuen Ausstellung.Leeser Landaus Schützenplakette von 1894: die älteste, die die Ramsdorfer Schützen haben.
Ein Zufall half dann, ein Objekt zu finden. Julia Gievert machte zu der Zeit, in der die Idee reifte, ein Praktikum im Museum. Sie gehört zum Throngefolge des amtierenden Ramsdorfer Königspaares Kai Grevenbrock und Lisa Kerkhoff. „Da habe ich eine Idee“, sagte sie Cordula Lissner damals. Gievert erinnerte sich an die Plakette des Leeser Landau und stellte den Kontakt zum Schützenverein her.
Im Juni haben sich Vertreter der Walburgisschützen und des jüdischen Museums getroffen, um unter anderem die Plakette ausztutauschen. Dabei hat Cordula Lissner weitere Recherche-Ergebnisse mitgebracht und aus Reihen des Vereins weitere Infos erhalten.
„Über Leeser Landaus Familie wissen wir mehr als über ihn selbst“, erklärte Lissner. Am 18. März 1857 kam er in Ramsdorf zur Welt. Am 21. März 1937 ist er in Borken gestorben. 1896 soll Klara Landau als vierte Tochter des Viehhändlers Leeser Landau und seiner Frau Emma zur Welt gekommen sein, fand Lissner heraus. Betty (1888), Alex (1890) und Saali (1893) waren ihre älteren Geschwister. 13 Juden hätten laut Recherchen um 1896 in Ramsdorf gelebt.
Im Archiv der Borkener Zeitung ist zu lesen, dass Leeser Landau vom Viehhändler zum Textilhändler wurde. „Buxkins“, Kleiderstoffe, Wollwaren und vieles mehr pries er laut einer Werbeanzeige in seinem „Manufacturgeschäft“ an, das er 1896 eröffnet hatte. Gemen und Borken waren danach Stationen der Familie, ehe sich die Spur Leeser Landaus verliert.
„Macht uns stolz“
„Das macht uns stolz, dass wir in der Geschichte Informationen liefern und erhalten, die wirklich Hand und Fuß haben. Finde ich toll“, sagte Heinrich Schmeing, Präsident der Walburgisschützen Ramsdorf-Stadt.
Lissner und andere Historiker fanden bei ihren Recherchen 15 jüdische Schützenkönige in Westfalen. Den ersten soll es 1877 in Vreden gegeben haben. „Es mag weitere gegeben haben, viel mehr aber nicht“, so Lissner.
„Über dieses Exponat freuen wir uns sehr, auch über die Infos. Das sind immer die Höhepunkte beim Planen einer Ausstellung. Viele andere Vereine haben auf ihrer Homepage angegeben, dass es auch an ihrer Königskette Plaketten jüdischer Könige gegeben hätte, diese aber seit der NS-Zeit verschollen seien“, erklärte Cordula Lissner. „Andere schreiben in ihrer Chronik, dass sie Juden satzungsgemäß aus den Vereinen ausgeschlossen hätten.“ Oft hieße in den Chroniken laut Lissner, vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert, dass Juden keine Bürgerrechte gehabt hätten und keine vollwertigen Bürger gewesen seien. Dass Schützenvereine christliche Vereine seien und Juden dort keine Mitglieder sein könnten, sei in Chroniken auch oft zu lesen gewesen, berichtete Lissner. „Es gibt aber auch gute andere Traditionen. Man kann gute Nachbarschaft pflegen oder Menschen ausgrenzen. Und das wollen wir in unserer Ausstellung zeigen.“
Leihe an das Museum
Die Kette, die der Ramsdorfer Goldkönig in der Regel bei Schützenfesten trägt, ist in diesem Jahr also ein wenig leichter. Denn Cordula Lissner und Kurator Thomas Ridder haben sich die Plakette des Leeser Landau für die Ausstellung ausgeliehen. „Wir werden sie uns aber mit Sicherheit dort mal anschauen“, sagte Udo Schlüter, Schriftführer des Vereins. „Wir fahren mit einer Abordnung nach Dorsten. Wir brauchen ja noch ein Foto für die Schützenpost.“
„Von Alefbet bis Zedaka – jüdische Lebenswege in Westfalen“ soll die neue Dauerausstellung im Dorstener Museum heißen. „Alefbet steht für das hebräische Alphabet. Zedaka steht für Wohltätigkeit. Aufgrund von Umbauarbeiten im Museum wird sich die Eröffnung allerdings wohl bis in den späten Herbst verzögern.

B.Z Bericht Lars Johann-Krone vom 29. Juni 2018